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E-Mentoring - Junge Talente im Homeoffice richtig virtuell führen können

Matthias Bremmekamp • 16. Dezember 2021

E-Mentoring ist heute schon so etwas wie ein Modewort geworden. Man führt nicht mehr nur seine Mitarbeiter, man fungiert als Mentor. Bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings ein großer Unterschied zwischen dem (klassischen) Führen und dem Mentoring heraus. Wenn manch eine Führungskraft oder ein Ausbilder von Mentoring spricht, dann ist Delegieren gemeint. Ein Mentor zu sein, braucht allerdings ein bisschen mehr. Und wen gibt es besseres, um zu erfahren, was erfolgreiches Mentoring ausmacht, als Mr. Miyagi aus den Kultfilmen der Karate Kid Reihe. Mr. Miyagi agiert ruhig, klar, inspirierend, allwissend, motivierend, geheimnisvoll, abstrakt, fokussiert, zielgerichtet und ganz besonders besonnen. Natürlich können wir uns im beruflichen Alltag nicht den legendären Methoden Miyagis 1:1 bedienen und Mitarbeiter stundenlang unser Auto polieren lassen ("wax on, wax off", 1. Film [1984] der Karate Kid Reihe). Aber wir können uns Miyagis Aura ausleihen, um zu klären, was es beim E-Mentoring braucht, um eine erfolgreiche und vertrauensvolle One-on-One-Kommunikation aufzusetzen:


Mentoring baut auf der These auf, dass der Schützling (Daniel san, Rufname Daniel LaRussos in den Karate Kid Filmen), eine erfahrene Leitfigur (Mr. Miyagi) braucht. An und mit ihm kann der junge Daniel wachsen und sich bestens zu einem großartigen Kämpfer...äh Erwerbstätigen entwickeln. Es geht für Daniel san nicht bloß darum, stupide zu tun, was Miyagi für richtig hält (auch wenn es im Film manchmal so aussieht). Und es geht auch nicht für Daniel darum, zu werden, was Miyagi gerade ist. Sondern es geht für Daniel darum, mit Hilfe Miyagis sich selbst und seinen eigenen Weg zu finden. Es geht darum, den Ratsuchenden anzuleiten, die Antworten in sich selbst zu finden und von der Erfahrung des Mentors zu profitieren zu lassen. Aber eben nicht in der Art, dass der Erfahrungsschatz Miyagis die eine und einzige Wahrheit darstellt, sondern "lediglich" eine wertvolle Wissensquelle, die genutzt werden will oder eben nicht. Schließlich trägt Daniel am Ende die wichtigen Kämpfe aus und nicht Miyagi. Eine Fokussierung Miyagis nur auf sich selbst, wäre daher also fatal. Miyagi konzentriert sich auf die Entwicklung Daniel sans und das ist der einzig richtige Ansatz. So läuft es auch beim Coaching:


Beim Coaching steht  das individuelle Finden von eigenen Lösungen für den Coachee im Fokus. Der Coach geleitet ihn mit Hilfe von Übungen und Fragetechniken dazu, seine eigene Wahrheit, sein eigenes "Richtig" in sich selbst zu finden. Man arbeitet auf Basis des Gedankens, dass alles, was der Coachee braucht, um erfolgreich, glücklich und zufrieden zu sein, bereits in sich trägt. Der Coach fördert diese Lösungen und Wege "nur noch" zu Tage.


Beim Mentoring kommt nun noch ein entscheidender Baustein dazu: Wie bereits angedeutet, kann Mr. Miyagi seine fachliche und berufliche Erfahrung in den Entwicklungsprozess Daniel sans einbauen. Daniel profitiert vom Wissen des Meisters und kann sich dadurch Leitplanken erschaffen, um große Fehler auf seinem Weg zu vermeiden oder eben schneller an sein definiertes Ziel zu gelangen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die persönliche Komponente, der Einblick des Daniels in die Gedankenwelt Miyagis kann dabei Berge versetzen. Es geht  um mehr als einen fachlichen Austausch. Es geht um eine ganzheitliche Begleitung. Im beruflichen Kontext lässt ein Miyagi einen Daniel san Einblicke in fachliche Entscheidungen, persönliche Beweggründe, Hintergründe und Auswirkungen auf allen Ebenen des menschlichen Daseins erhalten: Empathie, Ängste, Motivation, Beziehungen, Gedankenmuster und all derer Zusammenhänge, und so weiter. Natürlich ist es Dir als Next-Miyagi selbst überlassen, wie tief du  Daniel san Einblick gewährst und es ist freilich nicht ratsam diesen mit deinem gesamten Seelenleben zu überschütten. Je nach dem, wie vertrauensvoll sich die Beziehung gestaltet, hebt eine recht persönliche Note die Qualität eurer Gespräche sehr und kommt somit auch der Entwicklung deines Schützlings zugute.


Im Folgenden schauen wir auf die Grundsätze des E-Mentorings
(nein, immer noch kein Auto polieren):


  • Sei Vorbild! Es ist so einfach, wie schwer. Beim E-Mentoring bist Du vermutlich während der digitalen Sprechstunde zu Hause. Dein Mentee ist dies auch. Gib daher ein professionelles und angemessenes Erscheinungsbild ab. Hose an, Hemd an, Kamera des Endgeräts auf Augenhöhe (keine Nasenlöcher filmen), suche Dir einen ruhigen Raum mit stabiler Internetverbindung und ohne Störfaktoren, gute Tonqualität (Headset/ externes Mikrofon sind empfehlenswert). Was hier so banal klingt, hat große Wirkung. Im Büro kommen wir top gestylt in den Besprechungsraum und nach 2 Wochen Homeoffice vergessen wir das Zähneputzen am Morgen. Achte darauf, Deinem Mentee ein optisches Vorbild zu sein. Nein, nicht in Modefragen, sondern im Einhalten eines seriösen Standards. Es gibt leider unzählige Webfails, die zeigen, wie Berufstätige an Selbstverständlichkeiten (wie das Tragen einer Hose!!) schludern, nur weil sie von zu Hause aus arbeiten.


  • Sei zuverlässig! Dein optischer und technischer Standard zu virtuellen Meetings sollte immer gleich gut sein. Kontinuität und Zuverlässigkeit sind zwei der wichtigsten Faktoren für das erfolgreiche und längerfristige Begleiten von Menschen. Wer eine gesunde und vertrauensvolle Beziehung zu jemand anderen aufbauen will und auch möchte, dass seine Ratschläge und Erfahrungswerte dankend angenommen werden, muss zuverlässig sein. Sei besonders zuverlässig in der Einhaltung von ausgemachten Terminen. Sei entsprechend vorbereitet auf die Sitzungen. Nichts verschreckt einen Mentee so sehr, wie wenn der Mentor vergisst, worüber man eigentlich letzte Woche gesprochen hat und wie man den Namen des Schützlings buchstabiert. Deine kontinuierliche Zuverlässigkeit schafft Vertrauen. Und dies ist Basis einer erfolgreichen Entwicklung.


  • Definiere Ziele! Ziele zu erreichen ist nicht das Ein-und-Alles unseres Lebens, jedoch lassen Ziele uns losgehen für etwas, um letztlich dort ankommen zu können, wo das jeweilige Ein-und-Alles eben liegt. Kläre mit Deinem Mentee, wo die Reise überhaupt hingehen soll. Vergiss nicht: Es geht nicht um Dich und Deine Entwicklung, sondern um die individuellen Vorstellungen des Mentee. Wo will sie oder er hin? Was sind die  Wünsche und wo sind Stärken, Schwächen, Hindernisse und Sprungbretter zu sehen? Das Festlegen klarer Ziele hilft Dir auch dabei, den Mentoring-Prozess zu strukturieren und Erfolge zu messen.


  • Bringe ausreichend Zeit mit! Zeitliche Engpässe und Hektik sind Gift für eine gute Mentor-Mentee-Kommunikation. Da es beim Mentoring durchaus auch um Persönliches geht, um Empfindungen, Probleme und auch mal um kleinere Krisen, muss ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Natürlich musst Du Dir dafür nicht den halben Tag freihalten, selbst wenn Dein Mentee heute sehr viel auf der Seele hat. Plane die Meetings und stelle eine klare Struktur auf, damit du selbst Orientierung hast und der Mentee weiß, wie lange das Gespräch geht und was im Einzelnen wie lange behandelt werden kann.


  • Gewähre Einblicke in Deine Arbeit, Gedanken und Empfindung! Es geht beim (E-) Mentoring nicht nur um die Bedürfnisse des Mentee, sondern auch um die Erfahrungen und vor allem reflektierten Empfindungen des Mentors. Sei offen (so offen, du möchtest) und lade Deinen Mentee in deine Gedankenwelt ein, um Erfahrungswerte nahbar zu machen. Es hilft Deinem Schützling ganzheitlich zu erfahren, warum du gewisse Ratschläge erteilst. Vergiss dabei nicht, dass auch ein gut gemeinter Ratschlag ein "Schlag" für den anderen sein kann. Damit Deine Empfehlungen nicht wie Prügel auf den Neuling einwirken, verknüpfe diese mit persönlichen Einblicken. Deine Reflektiertheit ist der sanfte Botschafter klarer Empfehlungen.


  • Last but not least: Sei authentisch! Bei allen Regeln, aller Offenheit oder geheimnisvollen Verschlossenheit Deinerseits, sei, wie Du bist. Dein Mentee spürt auch im Digitalen, ob Du Dich verstellst oder ob Du "Du" bist. Wir alle wollen an jemandem wachsen, den wir ein wenig bewundern und dessen Wort wir Bedeutung bemessen. Dies wird durch Authentizität erreicht. Es wäre nicht zielführend sich für den Mentee zu verrenken, nur um zum Beispiel von ihr oder ihm gemocht zu werden. Es ist nicht erfolgsversprechend, Regeln schleifen zu lassen, nur um besonders "cool" oder "locker" zu wirken. Sei, wie Du bist! Mit Ecken und Kanten. Das macht einen Miyagi aus. Daniel san hatte selbstverständlich überhaupt keine Lust stundenlang Miyagis Auto zu polieren und Miyagi machte sich damit reichlich unbeliebt bei seinem Schützling. Am Ende erreichte Daniel sein Ziel und er war dankbar für die unkonventionellen Praktiken seines Meister (nein, auch hier rufe ich nicht zur Übertragung dieser Methode in Deinen Berufsalltag auf). So und so ähnlich sollte es auch bei Dir und Deinem E-Mentoring verlaufen. Sind Dir Dinge zuwider, sprich es an. Findest du Aspekte extrem lobenswert, lobe. Vertraue Dir selbst und handle, wie Du es für richtig hältst.



Seikō shimashita!

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