Heute schreiben wir mal über Digitalisierung. Und das auch noch in der Schule. Oh je. Genau. Aber wir legen einfach mal los:
Digitalisierung. So, falls jetzt keiner weiterlesen möchte, alle Angst haben, den Laptop zuklappen und weglaufen, so kann ich euch beruhigen: Ich schreib nur drüber und du musst "nur" lesen. Hier muss jetzt keiner irgendwas digitalisieren. Ich verspreche es. Und um meinem Versprechen Bedeutung zu verleihen, untermauere ich meine Worte mit einem epischen Zitat einer RTL Frauentausch-Legende: "Es bleibt alles, wie es ist!"
So.
Da schwingt auch schon ein kleines bisschen Sarkasmus mit – ich weiß. Ich habe ein paar Jahre sozusagen an der Front der digitalen Bildung, nämlich im Schulbereich, gearbeitet und bin ein wenig gezeichnet. Du musst dir vorstellen, es wurde ein großartiges Programm auf die Beine gestellt, um Schulen in ganz Deutschland kostenlos in ein- bis drei Tagen die Themen Digitalisierung und digitale Bildung auf den Stundenplan zu rufen. Dazu rückten aus unserer Zentrale richtig gute Experten, Trainer, Referenten aus und waren hochmotiviert, die Bildungslandschaft umzupflügen. Neben den Schülerinnen und Schülern, widmeten wir uns ebenso explizit der Spezies "Lehrkräfte". Und so sah das dann aus:
Ländliche Schule. Wir, ein Experten-Team der neuen und schönen digitalen Welt, sitzen in einem Tourbus - ähnlich dem des A-Teams - und brettern vorsichtig über die Schul-Allee zu unserem Einsatzort. Es ist morgens um 8 Uhr am pädagogischen Tag, also der Tag im Jahr, an dem sich unsere Beute fortbilden möchte und daher einmal unvorsichtig aus dem Dickicht blinzelt. Wir treiben die verunsicherte Herde in der Aula - oder wie wir intern zu sagen pflegten: Im Stall - zusammen. Überfallartig begannen wir wie wild ihnen unsere Expertenmeinung, Ratschläge, Fachwissen und jede Menge Material um die Ohren und Hufe zu schleudern. Auf, dass wir am Ende des Tages die Tore des Stalls öffnen können und sehen, wie hochmotivierte Prärielehrer stolz und anmutig in die weite Bildungswelt hinausgaloppieren. Ihre Mähnen wehen im Wind, die Kultusminister erstarren in Ehrfurcht vor diesen Muskel bepackten Schönheiten und die Eltern in diesem Lande würden es nicht Mals mit Anwälten wagen, diese prachtvollen Geschöpfe dressieren oder gar auf ihnen reiten zu wollen.
Im Ernst: Es waren tolle Schulen dabei. Schulen, die Aufbruchsstimmung versprühten und gewillt waren, etwas Neues zu probieren, mal etwas zu wagen und einen neuen Kurs einzuschlagen. Kollegien mit neugierigen und aufgeschlossenen Lehrerinnen und Lehrern, die den Tellerrand liebend gerne überblicken wollten. Ebenso gab es Kollegien, in denen das Groß an Beschäftigten 0% Bock auf irgendetwas anderes hatte, als auf den gleichen ollen Kram, der sonst jeden Tag auf dem Zettel steht. Immer die gleichen Bücher, immer die gleichen Seiten, immer die gleichen Aufgaben, immer das gleiche Käsebrot am Mittag. Frustrierend. Sogar im Bereich eines Fortbildungstages, welcher, nur ein- bis zweimal im Jahr (!) stattfindet, sollte doch bitte alles, wie immer sein. Nichts Neues bitte! Da waren wir Experten nun: Störenfriede, die mit dem Rhythmus brechen...
Der Mensch verändert sich nicht gerne. Das musste ich feststellen. Der Mensch mag das, was er kennt. Aber warum ist das so? Und wie geht’s dann vorwärts mit der Digitalisierung?
Das Neue, das Unbekannte birgt immer Gefahren. Wer in der Steinzeit die sichere Höhle verlassen hat, um sich mit einem Säbelzahntiger zu kloppen, der wusste beim Heraustreten aus der Höhle nicht, ob er abends wieder zurückkommt. So drastisch ist es bei Digitalisierungsmaßnahmen nicht, aber das Konzept steht nun mal. Etwas Neues wagen, bedeutet Risiko und vor allem Gefahr! Der Digitalisierungszahntiger wartet da draußen und will uns essen!
Aber was machen wir denn nun, wenn wir durch unseren Job gezwungen werden, uns zu verändern oder unsere Arbeit zu digitalisieren?
Na klar, wir halten nur mal den Fußknöchel aus der Höhle, um zu schauen, ob der Tiger schon dran nagt. Und so werden alte, bekannte Lebenskonzepte, von denen wir wissen, dass sie uns nicht auffressen, nur soweit aufgebrochen, wie unbedingt nötig.
Jetzt laden wir iPads in Deutschlands Schulen ab und schauen was passiert. Und es passiert: Herr Müller und Frau Schmid, Klassenlehrertandem der 7a, teilen einmal in der Woche die neuen iPads aus, bitten den Kevin schon mal die Dinger zu wischen, weil er heute Tafeldienst hat und dann wird darauf ein PDF gelesen. Knöchel draußen, Tiger hat nicht angebissen, Konzept geprüft und für gut oder sogar für "digitale Bildung" befunden.
Du merkst, es liegt nicht an der Technik. Es liegt nicht (nur) am System. Und es liegt nicht immer an "den anderen", an der Schulleitung, an den Kultusministern. Es liegt einzig und allein bei mir und bei dir. Denn es ist eine Lebenseinstellung, ein Lebenskonzept, ob du die Höhle verlassen willst. Ja, vielleicht kommt der böse Säbelzahntiger und ihr bekommt euch in die Haare. Vielleicht kehrst du auch nie wieder in die Höhle zurück. Vielleicht ist das aber auch etwas Gutes, die Höhle für immer zu verlassen?!
Wir brauchen daher Routine im Routine brechen, um vorwärts zu kommen. Und man kann es üben, sich neuen Situationen zu öffnen. So kann man jeden Tag eine Kleinigkeit vollbringen, die unbekannt ist, die einen aber weiterbringt im Leben: Vielleicht mal dem Nachbar, den man immer ignoriert, weil man meint, der hat doch damit angefangen, aus heiterem Himmel einen schönen Tag wünschen. Mal schauen, was passiert? Vielleicht flippt der ja völlig aus und will dich fressen? Oder mal neue Apps ausprobieren, die man noch nicht kennt. Eben seinen Horizont bewusst erweitern. Gefahr hin oder her. Denn die Chance, für seinen Tiger-Mut belohnt zu werden, ist hoch, denn da draußen gibt es tolle Dinge. Es gibt großartige Initiativen, Unternehmen und Personen, die mit viel Herzblut die Digitalisierung und die digitale Bildung in Deutschland und der ganzen Welt vorantreiben. All diese begrenzen ihren persönlichen Horizont sicher nicht beim Ausgang der eigenen Höhle.
Es liegt an dir und an mir, was wir gemeinsam aus diesem Riesenwort „Digitalisierung“ machen. Es liegt an dir und deinem Konzept. Es liegt an mir und meinem Konzept. Ich kenne nicht alles, ich brauche nicht alles, aber ich brauche Offenheit und Neugierde in meinem Leben. Das ist mein Konzept. Und damit traue ich mich auch in die Digitalisierung.
Und wie machst du das? Was ist dein Konzept? Ich bin gespannt.